Wer einmal in Spanien oder Portugal in den sogenannten Bodegas Ibericas, den iberischen Weinkellern, als Weinliebhaber sein Schlüsselerlebnis hatte, der wird auch in der deutschen Heimat dem spanischen Wein recht aufgeschlossen gegenüber stehen.
Autobahnraststätten: die modernen Bodegas Ibericas?
Ein solches Schlüsselerlebnis war für mich der Genuss des ersten spanischen Weins – in diesem Falle eines Rosado aus Navarra – auf spanischem Boden. Völlig unromantisch war es auf meiner Weinreise durch Spanien jedoch keine der oben genannten und ein wenig mystifizierten Bodegas Ibericas, sondern es war ganz schlicht in der großen Autobahnraststätte in Barcelona. Und dort war es nur möglich eine ganze Flasche zu bestellen, und ich nahm das Risiko bei dem geringen, geradezu lächerlichen Preis des Weins gerne in Kauf.
Wie staunte ich aber, als ich den preiswerten Spanier im Glas hatte: ein nach Farbe und kräftigem Aroma erstaunlicher und begeisternder Wein. Um es kurz zu machen: mich hat seither kaum ein spanischer Wein enttäuscht und ich habe mich länger gefragt, wie es möglichst ist, dass in Spanien so vorzügliche Weine bei derart günstigen Preisen auf den Markt kommen.
Hektarerträge von 30 hl/ha: Klasse statt Masse
Zwei Gründe scheinen mir – fern aller Wissenschaftlichkeit – dafür ausschlaggebend zu sein. Zum ersten wachsen die spanischen Weine in einem sehr trockenen Klima heran. Der durchschnittliche Hektarertrag liegt bei rund 30 hl/ha gut 25 % unter dem Hektarertrag vergleichsweise der deutschen, italienischen und französischen Reben. Er wird nur noch von Portugal unterschritten, sowie aus anderen Gründen von Rumänien und Bulgarien.
Der zweite Grund wird sein, dass Spanien als das Land mit der weltweit größten Rebfläche – das aber nur die vierfache Weinmenge Deutschlands erzeugt – trotzdem einem gewaltigen Markt darstellt. Spanien ist weltweit der größte Weinproduzent, der ebenfalls seine Käufer suchen muss.
Wie in Deutschland und Frankreich hat die Önologie und die technologische Entwicklung schon frühzeitig den Qualitätsweinbau vorangebracht. In den 5000 Bodegas und Abfüllbetrieben wird nach modernsten wissenschaftlichen Standards gearbeitet, die 150.000 Winzer lassen sich önologisch beraten. Vor diesem Hintergrund gibt es keine rückständigen Gebiete mehr, alle Weinbauregionen müssen mit Blick auf Qualitätsweinerzeugung als prinzipiell gleichwertig betrachtet werden. Die Unterschiede die bleiben, resultieren aus den Ideen und Motiven der Winzer, den auch in Spanien variierenden Jahrgängen und dem Rebensortiment, dass allerdings eine erfreuliche Vielfalt aufweist.
Man könnte geneigt sein zu sagen, Spanien ist der typische Produzent für erfreuliche Alltagsweine, aber mit dieser Charakterisierung würde man dem Land nicht gerecht. Spanien ist Erzeugerland von internationalen Spitzenweinen. Wenn Weinpapst Robert Parker 2007 für fünf spanische Weine die höchst seltene Bewertung von 100 Punkten gab, so ist das nur eine Geschichte von vielen.
Rioja! Das ist Bodega Marques de Murrieta, das ist die Domaine Marques de Riscal.
Zwei namhafte Bodegas Ibericas der Rioja sind bis heute in aller Munde. Schon die 1870 gegründete Bodega Marques de Murrieta und die Domaine Marques de Riscal, waren als Spitzenerzeuger und Flaggschiffe der Rioja bekannt. Frühen Ruhm erwarb u. a. auch die Familie Martinez mit ihren meist Faustino genannten Weinen, die seit 1860 phantastische Weine erzeugt.
Eine noch ältere Weinbautradition weist die Familie Torres auf, die bereits seit dem 17. Jahrhundert Weine von beachtlichem Renommé erzeugt. Das Weingut – oder besser die Weingüter – des Penedes weisen eine beachtliche Größe von 1400 ha auf, und dürften daher schon aufgrund ihrer schieren Größe einen hohen Bekanntheitsgrad aufweisen – aber natürlich kann man auch von den fast unzähligen Auszeichnungen auf einen „Vina Sol“ oder „Esmeralda“ gestoßen sein.
Die Liste großartiger spanischer Weine ist hiermit nur höchst oberflächlich angetippt worden. Bei über 60 DO– und DOCa-Regionen (Denominacion de Origen und Denominacion de Origen Calificada), kein leichtes Unterfangen. Das Qualitätsmerkmal DO besteht übrigens aktuell seit 100 Jahren für die Rioja-Region. Wo also anfangen – wo aufhören?
Pricipe de Viana, rot 2007
Es soll ja ein einzelner Wein überprüft werden und da kann leider nur eine willkürliche Auswahl Platz greifen, und leider – aufgrund des Geldbeutels kein internationaler Spitzenwein – sondern ein eher niedrigpreisiger Wein aus der – ebenfalls ausgezeichneten – Region Navarra, ein Principe de Viana, erzeugt in der Finca Albret in Murchante, auf dem Weg nach Pamplona gelegen.
Der Weinvorrat hatte mich bereits im Jahr 2011 erreicht, und in Kenntnis der Gepflogenheiten spanischer Winzer, die ihre Weine stets genussfertig präsentieren, befürchtete ich schon eine zu lange Lagerzeit. Meine Bedenken waren aber unbegründet, der 2007er – eine Assemblage aus Tempranillo, Merlot und Cabernet Sauvignon – zeigte sich äußerst frisch und in hervorragender Verfassung.
- Farbe: dunkel-granat mit Mahagoni-Reflexen
- Duft: Schwarze Johannisbeere, Heidelbeere, Sauerkirsche
- Geschmack: rund und stoffig, fruchtig, mit dezenter Säure, sehr lang auf der Zunge
Meine Sorge um die Lagerdauer – Ernte 2007 – war also völlig unbegründet. Mit seinen 13,5 % Volumenalkohol und bei kühler und dunkler Lagerung, waren bei dem Principe de Viana keinerlei Alterungsspuren bemerkbar. Erfreulich auch, dass der Winzer seinen Wein mit einem ausgezeichneten Naturkorken versehen hatte. Der Naturkorken verteuert den Wein zwar um etwa 50 Cents; zeigt aber, dass der Winzer sein Produkt mit einem gewissen Anspruch verbindet. Mich erreichte die Weinkiste übrigens über das Jacques-Weindepot, zu einem „Schnäppchenpreis“ von ca. 7,50 €.
Principe Garnacha Vinas Viejas 2011 von Hawesko
Wie hätte es anders sein können; in einer Zeit, da New York und Melbourne nur einen Mausklick auseinander liegen, habe ich nach meinem Besuch von Jacques‘ digitalem Outlet seines Weindepots noch an anderer Stelle halt gemacht. Bei Hawesko wurde ich im Online-Shop fündig und genehmigte mir ein weiteres Elaborat der Bodegas Ibericas, das auf deutschem Boden erhältlich ist.
Es ist ein rebsortenreiner Granacha, der – wie man bei Hawesko ausführt – „aus den Trauben tiefwurzelnder alter Reben gewonnen wird„. Die Garnacha-Trauben dieser alten Rebstöcke erbringen naturgemäß wesentlich weniger Ertrag als junge Stöcke an anderer Stelle. Jedoch – und davon ging ich aus – sind ihre Aromen sehr viel intensiver. Insgesamt darf man erwarten, dass die Weine runder und harmonischer schmecken. Dieser Principe Garnacha Vinas Viejas stammt ebenfalls aus Navarra. Ob Haweskos Weinkeller eine Schatzkammer war, werde ich noch herausfinden – er ist noch unterwegs. Wenn der Paketdienst mitspielt, wird er in den nächsten Tagen bei mir eintreffen. Mit 5,90 Euro ist es kein teurer Wein, denn Hawesko ist etwas genügsamer als Jacques Weindepot. Ich bin gespannt auf den Unterschied.
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