„Geschmackssache, sagte der Affe und biss in die Seife“. So brutal können Sprichwörter sein. Was kann so ein possierliches, dem Menschen so ähnliches Tierchen dafür, dass es in so herabwürdigender Weise verglichen wird? Wir sind übrigens alle einer Meinung, wenn wir glauben, dass ein Affe sehr wohl Genießbares von Ungenießbarem zu unterscheiden vermag. Also hat das Sprichwort eine Botschaft: Seife schmeckt nicht. Eine zweite Botschaft zum Thema lautet: Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Auch diese Botschaft ist erkennbar falsch.
Vom Dornfelder und seinem Siegeszug
Im Falle des Dornfelders hält dieser Streit seit mittlerweile 35 Jahren an und hat inzwischen die Dimension eines Glaubenskrieges angenommen. Im Jahr 1979 meldete die Staatliche Lehr- und Versuchsanstalt für Weinbau und Obstbau in Weinsberg Sortenschutz für die Rebe an. 1982 standen 328 ha und 1988 bereits 926 ha unter Reben. Ein unbeschreiblicher Siegeszug begleitete den Dornfelder, dessen Rebflächen inzwischen fast 8200 ha betragen. Schon im Jahr 2007 hatte der Dornfelder den Portugieser als zweithäufigste Rotwein-Sorte nach dem Spätburgunder abgelöst.
Anfangs lediglich als „Deckrotweinsorte“ zur Farbverstärkung deutscher Burgunder gezüchtet und verstanden, entwickelte der Dornfelder eigenes Profil und wird sortenrein ausgebaut und gerne getrunken.
Zunächst erstaunt nicht, dass die Rebsorte auf die ungeteilte Zustimmung der Winzer gestoßen ist. Bei geringen Bodenansprüchen, normaler Krankheitsanfälligkeit, geringer Fäulnisanfälligkeit, werden nach dem „Taschenbuch der Rebsorten“ seine Qualitäten von Trollinger und Portugieser übertroffen. Vor allen Dingen wird über einen hohen Ertrag von 120 bis 150 hl/ha berichtet, der bereits bei einem niedrigen Mostgewicht einen harmonischen Wein ergibt.
„Das Wein Lexikon“ und der Dornfelder
„Das Wein Lexikon“ ist naturgemäß kritischer: „Ihre zunehmende Verbreitung beruht auf der vergleichsweise hohen Farbkraft der aus ihn erzeugten Weine, die viele über die ansonsten bescheide Qualität hinwegsehen lässt“. Auch mit Blick auf die Weinpreise ist der Dornfelder erfolgreich. So berichtet die Gartenakademie Rheinland-Pfalz von Notierungen für Oktober bis Dezember 2014 im Bereich QbA für den Dornfelder von 90 bis 100 € pro hl, also noch unter dem Portugieser. Nur die Weißweinsorten Riesling (110), Weißburgunder (120) und Grauburgunder (140) notierten höher.
Weinkommission Weick: „Dornfelder am oberen Ende der Skala“
Fragt man Weinkommissionäre (z.B. Weinkommission Weick) so sieht die Sache nicht anders aus: Da rangiert zum 11. 12. 2014 unter den roten Sorten der Dornfelder (Jahrgang 2013) mit 1,00 € pro Liter am oberen Ende der Skala, vor dem Portugieser und selbst vor dem Spätburgunder. Damit ist natürlich keineswegs etwas gesagt über die Rotweinqualitäten in Deutschland, die sich um 1,00 € pro Liter freilich alles andere als auf einem Spitzenniveau bewegen. Weine, die nach einem Jahr noch nicht verkauft worden sind, gehören nun einmal nicht zu den erfolgreichen.
Von den Aromen und Düften des Dornfelder
Natürlich kann der Dornfelder vorzüglich munden. Weinkritiker betonten seine fruchtigen – ein wenig gerbstoff- und säurelastigen – Aromen und Düfte nach Brombeeren, Johannisbeeren, Himbeere, Banane, Tabak und Holunder. Einige Düfte fand ich im Bukett eines Dornfelders anlässlich einer Weinprobe eines engagierten und sachverständigen Hobbywinzers, der gleichzeitig Inhaber eines Gärtnereibetriebes war. Ich verstand, dass alle Teilnehmer eine Flasche zur Weinprobe mitbringen sollten, um die Probe möglichst abwechslungsreich zu gestalten, und brachte – um nicht als kleinlich zu erscheinen – zwei Flaschen Chateauneuf-du-Pape mit.
Nach der Dornfelder-Probe, die natürlich gegenüber dem Hausherren mit sachdienlichen Kommentaren bedacht und belobigt wurde, konnte sich zunächst noch niemand den weiteren Verlauf der Probe vorstellen. Der Gastgeber schenkte weiterhin Dornfelder aus – der Wein konnte nicht schlecht sein, nachdem er zuvor gelobt worden war. Ein drittes Glas Dornfelder wurde gereicht, und ich machte mich auf die Suche nach dem Chateauneuf, den ich nirgends finden konnte. Alle Probenweine waren auf merkwürdige Art und Weise verschwunden – und ich bemerkte als da und dort das vierte Glas Dornfelder eingeschenkt wurde, dass ich einen Fehler begangen hatte, nicht sofort auf den Probencharakter der Veranstaltung hingewiesen zu haben. Ein viertes Probenglas – schon in dem dritten fand ich nur noch Säure und Gerbstoffe – hätte ich nicht mehr trinken können, und verkündete ob der unverhüllten Bevorzugung der Geschmackspräferenz des Probenmeisters für die Rebsorte Dornfelder meine verfrühte Beendigung des Probengeschäfts.
Seit jener Zeit bin ich zugegebenermaßen voreingenommen gegenüber dem Dornfelder, ob er nun lieblich, halbtrocken oder trocken ausgebaut ist. Tatsächlich – über Geschmack lässt sich trefflich streiten. Von meinem Gärtner-Winzer habe ich nie wieder etwas über den Verbleib der beiden Les Cailloux-Chateauneufs gehört.
Vom Acolon, der Cabernet Dorsa und der Cabernet Mitos
Dass das letzte Wort im Glaubensstreit um den Dornfelder noch nicht gesprochen ist, machen die Erfolge einiger Neuzüchtungen, vorwiegend ebenfalls aus Weinsberg, deutlich. Schon 482 ha beträgt die Anbaufläche der Sorte Acolon, deren Weine sich großer Beliebtheit erfreuen. Bessere Mostgewichte und weniger Gerbstoff sind ausschlaggebend für die geschmackliche Bevorzugung. Erfolgreich sind auch die Cabernet Dorsa (252 ha) und Cabernet Mitos (323 ha) gestartet, für die besonders geschmackliche Gründe ins Feld geführt werden. Schließlich untermauern die anhaltenden Erfolge der französischen Sorten Merlot (585 ha), Cabernet Sauvignon (353 ha) und Syrah (seit 2010 54 ha), dass man sich in Deutschland noch immer auf der Suche nach dem ultimativen Geschmackserlebnis befindet. Es scheint so, dass in der Entwicklung des Dornfelders von 8259 ha im Jahr 2005 zu 8129 ha in 2013 eine Tendenz zu erkennen ist.
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