Während an der südlichen Rhone eine Riesenzahl von bekannten und berühmten Weinorten in der Fläche bestehen, bilden die Appellationen an der nördlichen Rhone (Zone septentrionelle) förmlich einen Hotspot: zwischen den beiden rund 70 Kilometer entfernten Städten Vienne und Valence – Wien und Valencia – bestehen nicht weniger als acht hervorragende und berühmte Appellationen.
Saint Joseph: der „Wein von Mauves“
Praktisch gegenüber des Hermitage-Hügels – auf der rechten Seite der Rhone – findet eine davon, das Weingebiet von SAINT JOSEPH. Der Saint Joseph wurde in vergangen Zeiten als „Wein von Mauves“ bezeichnet und genoss das Ansehen von Königshöfen. Das Örtchen Mauves befindet sich noch immer im Zentrum der 1956 geschaffenen Appellation, 1969 erfolgte allerdings eine gewaltige Ausweitung der Fläche durch Hinzunahme von zwanzig Dörfern. Das bekam der Appellation nicht gut – es trat ein Qualitäts- und Preisverfall ein. Weil verschiedenartige Böden kultiviert worden waren, wiesen die Weine auch sehr verschiedene Geschmacksqualitäten aus (Terroir), und man wusste nicht mehr so recht, was einen Saint Joseph eigentlich ausmacht, bzw. wie er schmecken sollte. Zu einem gewaltigen Revirement kam es dann 1992, in dem die Saint-Joseph-Rebfläche von 7500 ha auf 3500 ha verkleinert wurde.
Hugh Johnson. „Besonders Gut“ für den Saint Joseph Wein
Der diesbezügliche Umgang mit dem französischen Weinrecht muss den britischen Weinpapst Hugh Johnson bestimmt haben, Saint Joseph nur noch mit zwei Sternen zu bewerten, was für „überdurchschnittlich“ steht – wiewohl mit der Einlassung, dass diese Weine in der jeweiligen Preisklasse „besonders gut“ sind. Dazu muss man wissen, dass Saint Joseph, wie großen Marken Hermitage und Cornas, auf der Basis der Rebsorte Syrah gewonnen werden, und damit den Weinen der großen Geschwister recht ähnlich sind. Die Produktion von Weisswein kann wegen ihrer Geringfügigkeit vernachlässigt werden. Die klassischen Lagen in Saint Joseph sind – wie in Cornas fast extreme – Steillagen und weisen die charmanten Anklänge von Schwarzen Johannisbeeren, Himbeeren und Erdbeeren auf. Diese Weine können zuweilen recht geschmeidig sein. Nicht von ungefähr ist auf den Saint Joseph gemünzt: „Il passe partout“; denn er soll praktisch zu allen Speisen als hervorragender Begleiter fungieren.
Saint Joseph – 2012 von LIDL
Einen Saint Joseph – 2012 – für 6,99 €, wie ihn LIDL jetzt anbietet, macht schon vom Preisgefüge her misstrausch, denn eine Steillage, von Hand gelesen – und folglich ohne Maschineneinsatz – kann zu diesem Preis wohl kaum geliefert werden. Dazu weist das Etikett aus, das dieser Wein in der Massenkellerei im 200 km entfernten Saint Jean d’Ardieres abgefüllt wurde, und kein Mensch zu sagen weiss, wo er genau gewachsen ist.
Die ebenfalls auf dem Etikett ausgewiesenen „Parfums subtils de cassis et framboise“ konnten zumindestens in Anklängen von Himbeeren nachvollzogen werden. In seinem angenehm rustikalen Charakter mag ein Tick zuviel Säure schwirren, der Eindruck verschwindet allerdings beim Zwischendurch-Verzehr von Wurst und Käse. Außerdem ist dieser Wein noch sehr jung, und hat trotz seiner bescheidenen 12 % Volumenalkohol durchaus noch beträchtliches Reifepotential. Auf jeden Fall ist es lobenswert, dass LIDL wenigstens einen Vorgeschmack auf den Klassiker Saint Joseph liefert. Trotz Naturkorkpfropfen wird aus dem LIDL-Wein keine Erzeugerabfüllung – und die Differenz zum Saint Joseph von führenden Erzeugern wie Gripa, Guigal oder Chapoutier, die natürlich ein Mehrfaches kosten, ist unübersehbar.
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