Banker oder Brauer – von wem kommt der beste Wein? Dem Weinfreund erscheint diese Frage frappierend. Er geht meist davon aus, dass Wein vom Winzer stammt und aus Trauben gemacht wird. Zum Teil reicht die Tradition von Winzerbetrieben jahrhundertelang zurück. Ein prominentes Beispiel bietet Langwerth von Simmern in Eltville, dessen Weinbergsbesitz mehr als 550 Jahre alt ist – und auf dessen Parzellen dieser Zweig der Landwirtschaft ununterbrochen betrieben wird.
Es ist allerdings müßig, darüber zu trauern dass in der Landwirtschaft moderne Zeiten angebrochen sind: die Zeit lässt sich nicht mehr zurückdrehen, auch wenn manches, das sich Modernisierung nennt, wie manches andere in der Agrarindustrie, von uns nicht geschätzt wird. So wird weithin der Eindruck erweckt, als befinde man sich noch in der „guten, alten Zeit“, wenn von Manufakturen die Rede ist – auch wenn es sich schlicht um Fabriken handelt, so etwa bei der Vielzahl von „Sekt-Manufakturen“, die durchaus modernsten ökomischen Strukturen entsprechen. So mancher Betrieb, in dem aus den Reihen der Führungsspitze niemand von Weinbau eine Ahnung hat, sondern allein von Finanztechnik, hält sich seit seiner Gründung vor etwa 150 Jahren auf einem hervorragenden technischen und ökonomischen Stand und produziert hervorragende Weine.
In der „guten, alten Zeit“, unmittelbar nach Anbruch der industriellen Revolution, konnte ein Volkswirtschaftsprofessor noch die Geschichte von den zwei schwäbischen Bauern erzählen: Diese hatten erfahren, dass ein Nachbar eine Hypothek aufgenommen hatte; und sie fanden den Umstand derart gefährlich und besorgniserregend, dass sie ihren Nachbarn bedrängten, ihre Ersparnisse anzunehmen, um die Hypothek abzulösen. Es verwundert nicht, dass die Geldleute unbeliebt waren, denn so manchen landwirtschaftlichen Besitz hatten sie durch ihre Aktivitäten an sich gebracht. Schließlich fiel ihnen zu dem erworbenen Grundbesitz nichts anderes ein, als die Realie weiter zu verkaufen, denn ein Gut zu führen, verlangte besonderen Arbeitseinsatz, versprach keine Höchstrenditen und risikofrei war die Sache auch nicht.
Über die Finanzialisierung von Weinimmobilien
Trotzdem scheint die Geschichte der Finanzialisierung bei Weinbergsanlagen weiter zu gehen: Zum Beispiel mit der „Mosel-Weinberg-Aktiengesellschaft“ in Trier oder der „WIV Wein International AG“ in Bingen, einer Ausgründung des Pieroth-Konzerns. Die Nachfolge von Betrieben, die vor der Aufgabe stehen, hat sich „Die Zunft AG“ zu ihrem Anliegen gemacht. Die Firma wird das ohnehin unaufhaltsame Fortschreiten der Finanzialisierung von Weinimmobilien weiter beschleunigen.
Die Weinliebhaber müssen sich vermutlich daran gewöhnen, dass vor der Beschreibung von Rebsorten, Terroir und besonderen Anliegen des Winzers, zunächst die Finanzgeschichte eines Weinbaubetriebes referiert wird. Wie in anderen Fällen – besonders in Übersee – steht es auch mit der „Coto di Rioja“ auf die man stößt, wenn man – etwa per Internet – etwas über den Erzeuger des „Coto de Imaz“ erfahren möchte.
Praktisch aus der „Retorte“ war ein in Weingut in Oyon durch Ansammlung der Produktionsfaktoren – Ankauf von Ackerland, Maschinen, Kellereibedarf, Zukauf von Trauben, Anstellung von Arbeitern und Technikern – aufgebaut worden, für das die erste Verantwortung eine spanische Bank übernommen hatte. Weil inzwischen größere liquide Mittel für den Erwerb einer Hotelkette benötigt wurden, erfolgte der Verkauf an eine britische Großbrauerei – und schließlich der Weiterverkauf an einen belgischen Brauerei-Konzern. Die Transaktion bedurfte wegen ihrer Größenordnung der Kartellaufsicht.
Vom „Coto de Imaz“, 2004, Riserva
Leider kann für den „Coto de Imaz“, 2004, Riserva, nicht genau nachvollzogen werden, wie der Wein vor Jahren geschmeckt haben könnte, denn der Riserva wurde nicht im Handel erworben, sondern aus privater – aber sachkundiger – Hand, so dass Lagerschäden ausgeschlossen werden können. Bei dem ersten Anschauen des hübschen Etiketts, das die Darstellung eines großen Bauernhofs zeigt und dem Hinweis auf den Jahrgang, bestand schon ein Zweifel über die – andererseits sprichwörtliche – Dauerhaftigkeit des Weines aus Rioja.
In der Tat wies der Wein einen Alterungston auf und in der dunkelroten Farbe war deutlich eine braune Farbtönung erkennbar. Der Naturkorken war völlig unversehrt und in einem Top-Zustand. Neben dem Alterungston machte sich eine überaus starke Holznote bemerkbar, die meines Erachtens auch bei einem jüngeren Jahrgang zu beanstanden gewesen wäre. Jeder Fan des neuen Holzfasses sollte sich darüber im Klaren sein, dass der mehr oder weniger schwache Holzton nicht ein zufälliges oder unvermeidbares Ereignis darstellt, sondern dass es sich um den bewusst vollzogenen Übergang von Geschmacksstoffen in den Wein handelt.
Natürlich kann auch ein Handwerkswinzer Fehler begehen und einen mäßigen Wein abliefern. Aber es geht – wie auch immer – keine Faszination von einem Retortenwein aus, auch wenn die „Weinmacher“ – Önologen und Finanziers – alles richtig gemacht haben. Wein ist mehr als eine scharfe oder großzügige Kalkulation, „Wein braucht Seele“.
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1 Kommentar
Vielen Dank für einen tollen Artikel. Wir möchten unsere Leidenschaft und Begeisterung für tollen Geschmack, ein großartiges Weinerlebnis und tolle Gläser teilen. Beifall zu Ihnen.