Dürfen Christen Wein trinken? Über Sünde und Labsal des Weins

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Alkoholische Getränke haben bereits in vorchristlicher Zeit praktisch in allen Kulturen eine Rolle gespielt. So feiern sich die Chinesen als älteste Weingärtner der Welt. Bereits aus dem vierten vorchristlichen Jahrtausend sind Bilder zum Weingenuss aus Ägypten erhalten. Das geheimnisvolle am Wein – die den Alten noch unerklärliche alkoholische Wirkung – wurde magischen Vorgängen zugeschrieben. So werden verschiedene, auf magischen Vorgängen beruhende Ursprungsmythen erzählt: Zum Beispiel in der Geschichte von der persischen Prinzessin, die sich mit dem Saft verschimmelter (und vergorener) Weintrauben vergiften mochte und von der wunderbar belebenden Wirkung des vermeintlichen Gift-Tranks überrascht wurde. Der griechische Ursprungsmythos kommt ebenfalls nicht ohne Magie aus, in dem mit Dionysos ein Gott Beistand leistet. Mit ihm werden, auch bei den Römern, Kulte verbunden.

Sonderbar nüchtern wird die Wein-Geschichte in der Bibel erklärt. Es heißt da nur lapidar: „Und Noah aber fing an und ward ein Ackersmann und pflanzte Weinberge.“ Auch Noahs Trunkenheit wird banal erzählt. Die zahlreichen Geschichten der Bibel wissen aber von der wohltuenden und von der problematischen Wirkung des Weins.

Die sehr detaillierten Zeugnisse über den Wein in der jüdischen Geschichte gelten sowohl für die biblische, als auch die nachbiblische Zeit. So muss nicht verwundern, dass in den ersten christlichen Gemeinden, die sich vor allem aus der jüdischen Bevölkerung zusammensetzten, auch der Wein eine Rolle spielte. Diese Rolle manifestierte sich im Judentum vor allem in seiner Bedeutung für den religiösen Kultus.

Im Judentum waren bestimmte Feste ohne Wein nicht denkbar. Beim Passahfest, an dessen erstem Tag eine rituelle Mahlzeit eingenommen wurde, dem Sedermahl, gehörten der Verzehr von vier Bechern Wein zwingend dazu. Beim Purimfest, aus Anlass der Errettung aus höchster Not während der babylonischen Gefangenschaft gefeiert, war eine gewisse Trunkenheit sogar vorgeschrieben: „An Purim soll man soviel trinken, bis man zwischen der Verfluchung Hamans und der Lobpreisung Mordechais nicht mehr zu unterscheiden weiß.

Wichtiger noch ist festzustellen, dass der Wein zu jedem Schabbat, der wöchentlich als Tag der Ruhe und des Ausspannens begangen wurde, in eine rituelle Handlung eingebettet war. Zum Kiddusch (Heiligung), der Einweihung des Feiertags, wurde u. a. ein Weinsegen gesprochen und auch den Gläubigen ein Gläschen vergönnt. Am Ende des Feiertages, zu Hawdala (Unterscheidung), wurde ebenfalls ein Weinsegen gesprochen.

Die Verbundenheit mit dem rituellen Weingenuss hielten die ersten Gemeinden, die Jesus als den wiedergekommenen Messias verehrten, in der Folge bei. In der Erzählung der Evangelien (die drei synoptischen Evangelien Matthäus, Markus, Lukas) wird praktisch fast von einem Abendessen mit Wein berichtet. Geschildert wird aber nicht die Kiddusch-Zeremonie, sondern eine andere, neue, die Brot und Wein in den Mittelpunkt stellt, und die beiden Lebensmittel mit Jesus verbindet bzw. vergleicht: „Dies ist mein Leib“ – für das Brot – und „dies ist mein Blut“ – für den Wein.

Die mystische Beziehung zwischen Wein und Blut taucht schon bei Mose, 5. Buch, Kapitel 32, Vers 14, in der Wortprägung „Traubenblut“ auf, ebenso wie im Jakobssegen – Mose, 1. Buch, Kapitel 49, Vers 11, wo die Rede von „Weinbeerblut“ ist.

Bald nach Jesu Tod war aus der einmaligen Symbolhandlung eine stets wiederholbare Feier geworden, die unter dem Genuss von Brot und Wein den Feiernden Anteil an Jesu Sterben brw. Erlösungswerk geben sollte.

Bei den damals noch in magischen Vorstellungen befangenen Menschen herrschte die Überzeugung vor, dass durch das Zitieren der Einsetzungsworte des „Abendmahls“ („Nehmet, esset; das ist mein Leib. …“) sich Brot und Wein realiter in Fleisch und Blut Jesu Christi verwandeln würde. Dieser magischen Hochschätzung des in Christi Blut gewandelten Weins entsprach die Angst vor Missbrauch und Vergeudung.

Die mit dem IV. Laterankonzil (Rom) 1215 kirchenamtlich eingeführte Lehre von der „Transsubstantation“ (Wesensverwandlung von Brot und Wein in Christi Leib und Brot), führte bereits 1415 zum Entzug des so genannten Laienkelchs; d. h. die Spendung des Abendmahls (Eucharistie) war für kirchliche Laien verboten und sollte künftig den Priestern vorbehalten bleiben.

In der römisch-katholischen Kirche durften und dürfen noch die Priester realiter Wein genießen, dem Kirchenvolk werden Hostien gespendet, die nach dem Kirchenlehrer Alexander von Hales (ca. 1170 – 1245) den Wein mit enthalten (Konkomitanz).

Im Protestantismus bestehen in wesentlichen zwei Vorstellungen zum Abendmahl. In der lutherischen Kirche ist die so genannte Transsubstantation aufgegeben worden, zugunsten der Lehre von der Realpräsenz, d. h. der Anwesenheit Christi bei der Austeilung des Mahles. Die Auflage, dass ein Kleriker das Mahl austeile, ist aufgehoben. In den reformierten Kirchen (Calvin, Zwingli) haben Brot und Wein nur noch symbolischen Stellenwert.

Die abergläubischen Ängste mancher Zeitgenossen haben zudem dazu geführt, dass trotz der Betonung auf „Blut des Herrn“, Abendmahlswein in aller Regel als Weißwein kredenzt wird. Mit Rücksicht auf Alkoholkrankheit und Alkoholikerprophylaxe wird oft statt Weins Traubensaft ausgeschenkt.
Die Frage der Qualität von Abendmahlswein, obwohl es nicht auf den Wein an sich ankommt, sondern auf die rituelle Handlung, dennoch ist nicht obsolet. Friedrich von Bassermann-Jordan verweist in seiner „Geschichte des Weinbaus“ darauf, dass sich „die katholische Kirche von jeher ein besonderes Verdienst dadurch erworben (habe), dass sie stets daran festgehalten hat, als Messwein nur Naturwein zuzulassen.“


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