„ einerseits und andrerseits und außerdem “
Von vornherein muss ich sagen, dass ich in die Überschrift „Pinotage – der Ungeliebte“ nicht einstimmen kann, denn „einerseits“ verfüge ich nur über eigene Probenerfahrung bei zwei niedrigpreisigen Pinotages; „andrerseits“ bestehen durchaus Angebote von 18 € pro Flasche 0,7 Liter – und „außerdem“ hat die Rebe ein durchaus positives internationales Renommee. Auch das Wein-Lexikon von Horst Dippel sagt über die Sorte: „Die Weine haben Charakter und ein schönes Aroma, sind kerniger als ein Pinot Noir aus weniger guten Lagen und können dennoch samtig und überraschend fein sein“. Ich müsste mehr eindeutige Erfahrungen machen, um zu sagen, diese Rebsorte liebe ich nicht. Schließlich lasse ich mir meinen Riesling auch nicht madig machen, von einigen Erzeugern mit schlechten Lagen oder Kellermeistern. Und dann gilt auch, im übertragenen Sinne, was für fromme Juden auch schon bezüglich des Jerusalemer Tempels galt: Die ganze Welt ist List und Tücke, nur im Weinkeller ist Sicherheit.
Hört man Erzeuger und Händler, hört man Schwärmen in höchsten Tönen: Reife Brombeeren, schwarze Johannisbeeren, süße Pflaumen, Aromen von Beeren und Bananen – aber auch bei 9,95 € erdige Note von Waldboden und Unterholz. Zu letzterem Bouquet könnte die Geschmacksqualität „schön eingebundene Tannine“ passen, weil der Autor – welches Mißverständnis – vermutlich an „Tannenwald“ denkt.
Was beim Pinotage so erhaben daherkommt, kommentiert die britische Weinmeisterin Jancis Robinson (Trauben – Reben – Weine, Seite 229) folgendermaßen: „Ihr Ertrag ist jedoch nur mittelmäßig, sodass er oft forciert wird, was zu recht hohlen Weinen … führt, die aber doch etwas ausgedörrt schmecken. Am besten fallen die Weine kräftig zurückgeschnittener Reben aus, denen Zeit zum Ausreifen gelassen wird. Auch sie sind nur mittelschwer im Körper, haben aber gute Langlebigkeit und Farbe, und sie stellen eine subtilere Variante des charakteristischen Pinotage-Geschmacks dar, den manche etwas respektlos als „Spülwasser“ bezeichnen, weil eine Spur Reinigungsmittel in ihm geschmacklich nicht abzuleugnen ist.“
Mir sind zwar die von Frau Robinson üblicherweise benutzten „Reinigungsmittel“ auch olfaktorisch nicht bekannt, Spuren von Seife oder Chlor konnte ich nicht wahrnehmen. Ich würde auch kein verwegenes Urteil über die Rebsorte Pinotage fällen wollen, nach nur zwei probierten Weinen. Solcherart Düfte könnten auch kaum der Rebsorte angelastet werden, sondern würden auf eklatante Versäumnisse des Kellers aufmerksam machen. Außerdem ist meine Nase eher auf Brombeeren, Vanille und Pflaumen geeicht.
Die Proben stammten von deutschen Discountern und wurden noch unter der Steinbrück-Grenze erstanden. Beide waren 2013 gelesen worden, oder besser „geerntet“, denn unter dieser Grenze findet man ausschließlich maschinell geerntete Weine, auch beim Lohnniveau in Südafrika. Der erste, aus der Edeka-eigenen Rheinberg-Kellerei, fiel durch keinerlei Ecken und Kanten auf, bei einem hellen Granatrot waren Anklänge von Bohnenkraut zu entdecken, im Mund trat – bei immerhin 13 % Volumenalkohol – eine zu kräftige Säure hervor, die eventuelle amertüme Noten überdeckte. Der zweite ein Jahrgang 2013, abgefüllt durch die Vineris GmbH, kam irgendwie unterirdisch (erdig) hervor, war harmonischer (weniger Säure) und bei 14 % Volumenalkohol auch in der Farbe dunkler.
„Überraschend fein“ fand ich keinen der beiden, und das konnte ich bei der Preisklasse auch nicht erwarten. Mir ist unklar geblieben, welches Potential die Rebsorte wirklich hat, d. h. wie hätte der Wein gemundet, wenn die Erzeuger das Traubengut hätten ausreifen lassen und ohne Verwendung von Spezialhefen und ausgefeilter Kellertechnik den natürlichen Mazerationsprozess hätten ablaufen lassen. Zumindest bei dem erstgenannten Pinotage bin ich mir sicher, dass die Trauben verfrüht geerntet wurden, um den „lästigen“ Alkoholspiegel zu senken. Auch bei dem zweiten Wein ist vermutlich früher gelesen worden, denn wenn z.B. ein Chateauneuf-du-Pape – gelegen auf dem 44. Breitengrad vom Äquator – Weine bis zu 15.5 % Alkoholgehalt geerntet werden, warum sollten Weine auf den viel heißeren, tropischen Gebieten Südafrikas – etwa um den 35. Breitengrad – weniger Alkohol aufweisen, zumal die Pinotage-Trauben sehr süß werden?
Die Frage, wie ältere Jahrgänge (2012, 2011, 2010 bis zum 2008) munden, habe ich bisher nicht untersucht. In beiden Fällen handelte es sich um „sehr junge“ Weine, und mir fiel ein, dass ich einige Rhone-Weine, die ich jung im Keller probiert hatte, nach ein bis zwei Jahren, kaum noch wieder erkannte. Natürlich, man muss nicht von allen weltweit 8000 Rebsorten (plus Assemblagen) einen Wein verkostet haben, auch nicht aus jeder Lage von Stellenbosch bis Groot Constantia, Klein Constantia und Bergvliet im Devon Valley, aber – angeregt durch die Weinrallye und das Juli-Thema – habe ich mich aufs Gleis gesetzt. Mich interessiert jetzt wirklich, wie ein Pinotage vom Kanonkop Wine Estate vom Cape oder anderen schmecken könnte. Hatte auch schon überlegt, mir mal einen Beyerskloof Pinotage 2013 von Jacques Weindepot schicken zu lassen. Mehr darüber sicher demnächst hier an gleicher Stelle.
John Platter’s South African Wine Guide
Vielleicht greifen wir auch den John Platter’s South African Wine Guide auf, der ja in 2014 drei Weingüter auszeichnete: Cederberg Private Cellar, Mullineux & Leeu Family Wines and Nederburg Wines, die vier 5-Sterne-Ratings eingesammelt haben, ein Weinkeller (Newton Johnson Vineyards) der gleich drei 5-Sterne-Ratings erhielt und weitere zehn Winzer (Wineries) vom Kap (Cape Chamonix Wine Farm, DeMorgenzon, Fable Mountain Vineyards, Klein Constantia Estate, Kleine Zalze Wines, Sadie Family Wines, Stark-Condé Wines, Tokara, Reyneke Wines und KWV) von denen jeder zwei 5-Sterne-Auszeichnungen erhielten. Natürlich wurden dort auch andere Weine bewertet vom Cabernet Sauvignon Blanc de Noir, Shiraz, Cinsault (auch Cinsaut, Hermitage genannt), Pinot noir und Pinot blanc.
KWV Abraham Perold Op de Berg 1996
Zudem habe ich mit einem guten Freund über das Thema dieser Weinrallye gesprochen und er erwähnte, gelegentlich mit mir einen KWV Abraham Perold Op de Berg 1996 (Shiraz-Trauben von einer Weinbergparzelle unterhalb des Gipfels des Paarl Mountain, sehr alte Rebstöcke, bin gespannt!) öffnen zu wollen. Ich sehe auch dort ein spannendes Thema auf mich zukommen, das würdig wäre, hier etwas ausgebreitet zu werden.
Gastgeber der diesmaligen Weinrallye #76 / 2014 ist der „Sammlerfreak“ Peter Züllig. Die Weinrallye hat auf edelste-weine.de schon eine wenn auch kurze so doch vorhandene Tradition. Hier geht es zum letzten Beitrag von uns zur Weinrallye.
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