Rotwein-Cuvées: von Tête Cuvée und Cuvée Prestige

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Was führt uns zu den Cuvées (Cuvée-Weine)? Die Welt der Weine ist alles andere als einheitlich. 8000 Rebsorten sind weltweit bekannt, und noch immer ist den Protagonisten des Weins das zu wenig. Wie Hugh Johnson schreibt, ist das Zeitalter der Divergenz erst recht ausgebrochen: „Alle Anzeichen stehen dafür, dass Orthodoxie beim Wein der Vergangenheit angehört. Wir befinden uns im Zeitalter der Divergenz, der Auseinanderstrebens von Regionen, Rebsorten, Kellertechniken, Philosophien – und natürlich des Geschmacks.“

Ein Bisschen war das schon immer so: Man müsste die Rebsorten auch noch mischen können. Zum Teil wird dem gehuldigt, in dem man von vornherein einen „gemischten Satz“ von unterschiedlichen Sorten von Rebpflanzen wachsen lässt, zum anderen Teil erfolgt der Verschnitt – auch Cuvee (der Begriff Cuvet Wein kursiert ebenfalls) oder Assemblage genannt – zunächst im Labor und dann der Kellerei. So manches Weingut ist sehr stolz auf seinen als Tête de cuvée oder als Cuvée Prestige bezeichneten Spitzenwein.

Bei dieser Frage prallen Philosophien auf das Härteste gegen einander, vor allem in Deutschland. Zwar sind die Bemühungen um Verbesserungen bei den tradierten roten und weißen Standardrebsorten Jahrzehnte alt und wissenschaftlich begleitet worden, besonders glücklich scheinen vor allem die Winzer mit den Ergebnissen nicht geworden zu sein, jedenfalls ist kein lautes Rühmen über die Beimischung von Weinen aus sogenannten Verbesserungsreben zu hören. Selbst die Vokabel „Cuvee“ findet sich relativ selten.

Wenn man so etwas Edles wie einen Riesling oder Burgunder vorfindet, auch ein Silvaner oder Gutedel können perfekt sein, warum sollte man dann zugeben, dass zur Verbesserung des Geschmacks andere Weine – auch wenn nur in geringfügiger Menge – zugesetzt werden sollten? Könnte der Weinkunde nicht befürchten, dass eine – wenn auch geringfügige – Verfälschung des Weinaromas stattgefunden hat? Wie bei Glaubensfragen scheiden sich an den Cuvees die Geister.

Die Verschnitt-Weine

Beim Riesling würde ich mir die geringsten Gedanken machen, denn die bekannten Verschnittweine für den Riesling sind allesamt Riesling-Kreuzungen und rieslingartig im Geschmack, manchmal etwas schwächer in der Säure, was keinen Schaden bedeuten muss. Verschnitte mit dem Dornfelder, die allein wegen dessen starker Farbtönung vorgenommen werden, kann ich nicht im gleichen Maße nachvollziehen, und ich erinnere mich an einen Assmannshäuser Höllenberg, der trotz seiner blaßroten Farbe, mir besser gemundet hat als ein überteuerter Spitzenburgunder aus dem Hospiz de Beaune. Zu beobachten ist der Trend, statt Dornfelder anzubauen, auf Cabernet Sauvignon zu wechseln. Die nochmalige Zunahme der Rebfläche beim Dornfelder ist hier dem sortenreinen Ausbau geschuldet.

Die Sprachlosigkeit deutscher Winzer hinsichtlich ihrer – fast üblichen – Cuvee-Praxis hat also etwas zu bedeuten. Selbst beim Sekt, wo regelhaft von der Verschnittpraxis auch über Jahrgangsgrenzen hinweg auszugehen ist (weil ja dauerhaft ein immer gleicher Geschmack erzeugt werden soll), gefällt sich mancher Erzeuger mit dem Qualitätslabel „Riesling-Sekt“ aufzufallen.

Was sagt das dt. Weinrecht zum Cuvée-Wein?

Das deutsche Weinrecht sieht vor, dass Verschnitte ohne Süßreserve mit 15 % und mit Süßreserve bis zu 25 % ohne Auswirkung auf die Weinbezeichnung erfolgen dürfen. Die deutschen Winzer bewegen sich bevorzugt im Rahmen dieser Bestimmungen. Niemand verbietet ihnen, in höheren Graden sogenannte Fremdweine zu verwenden – der Name der Rebsorte ist ihnen wichtig. Aus nachvollziehbaren Gründen, weil traditionell ist die Rebsortenangabe ein Mittel zur Identifizierung des Weins.

Französische Anleihen deutscher Winzer: gerne beim Merlot, Cabernet Sauvignon und Pinot Noir

Am ehesten trifft man bei deutschen Winzern einen Cuvet-Wein von französischen Reben an, z.B. einen Weißburgunder/Chardonnay-Verschnitt sowie eine Melange aus Merlot, Cabernet Sauvignon und Pinot Noir im Weingut Nägelsförst in Baden-Baden. Eine Ausnahme bildet vielleicht die „Wein-Wundertüte“ Rheinhessen, in der das Weingut Manz in Weinolsheim eine Cuvee aus Cabernet Dorsa, Spät- und Frühburgunder anbietet, die einen zweiten Platz beim Deutschen Rotweinpreis 2012 erreichte.

Mein Geständnis

Ich muss zugeben, dass ich es önologisch mit den Orthodoxen oder Traditionalisten halte, denn warum sollte man versuchen ein Produkt zu verbessern, an dem es nichts zu verbessern gibt, höchstens in Nuancen. Damit können klassische Cuvee-Weine wie man sie besonders aus Frankreich und Spanien kennt, nicht gemeint sein.

Italien: vom Rotwein Cuvée oder die Leiden des Chianti

Auch Italien würde ich nicht als klassisches Cuvee-Land bezeichnen wollen, denn die Beimengungen im Rotwein Cuvée von vor allem Cabernet-Sauvignon, die als klassische Qualitätssorte eingestuft wird, sind vor allem der Qualitätsverbesserung geschuldet. Den vielleicht mühsameren Weg der Verbesserung autochthoner Sorten und Weine hat man gescheut, indem großflächig Cabernet-Sauvignon und Merlot angepflanzt wurden, mit dem Ergebnis, dass man heute nicht mehr weiß, wie ein Chianti oder Montepulciano „eigentlich“ schmeckt und nicht immer ist es ein Tête de cuvée oder Cuvée Prestige.

Frankreich: mindestens zwei Herzen schlagen in der Brust

Ganz anders in Frankreich, wo man auch sortenreine Weine, sei es weiss oder rot, schätzt, aber auch eine Weisswein-Assemblage bzw. ein Rotwein-Cuvee, und das auch deutlich ausspricht. Im Pomerol, dem vermutlich bedeutendsten Bordeaux-Gebiet für Rotwein, ist völlig klar, dass nur die Sorten Merlot, Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon zum Ausbau zugelassen sind – und dass der Wein auf jeden Fall auf einer Cuvee basiert. Petit Verdot und Malbec spielen eher eine Nebenrolle. Das Bordelais wurde zwar schon von mir besucht, leider habe ich einen Chateau Petrus zu keiner Zeit ins Glas bekommen.

Weisswein wird in Bordeaux aus der Semillon, aus Sauvinon Blanc, Muscadelle, Ugni Blanc und Colombard gekeltert, wobei die Semillion die wesentlichere Rolle spielt. Auch die edelsüßen Weine stammen aus diesen Sorten. Wer einen trockenen, sortenreinen Semillon im Glas hatte, der kann bei einem edelsüßen Sauternes, etwa einem Chateau d’Yquem, diese Rebe deutlich herausschmecken.

Eine weitere Region, in der das Verschneiden von Weinen geradezu sportlich gesehen wird, ist die südliche Rhone, während an der nördlichen Rhone praktisch nur sortenreine Weine geerntet werden. Die wohl berühmteste Gegend für hochgradige Cuvée-Weine ist Chateauneuf-du-Pape. Insgesamt dreizehn Rebsorten sind für Verschnitte zur Herstellung von Cuvée-Wein freigegeben. Für den Rotweinanbau sind Grenache, Syrah, Mourvedre, Cinsaut, Picpoul, Terret noir, Couniose, Muscardin, Vaccarese und Picardan, für den Weißwein Clairette, Rousanne und Bourboulenc zugelassen.

Wer glaubt, die große Freiheit sei in Chateauneuf beheimatet, muss sich allerdings getäuscht sehen. Kaum je sind strengere Vorschriften über die Weinbereitung erlassen worden. Vom Rebschnitt bis zur Ertragsbeschränkung von 35 l/ha, der Vorschrift dass außerdem 5 % des Ertrages ausgeschieden werden müssen, ist fast alles reglementiert, auch dass ein Chateauneuf die typischen Geschmacksmerkmale aufweisen muss. Die Winzer wollten sicherstellen, dass ein Chateauneuf ein unverwechselbarer Wein wird. Im Wesentlichen, darf man sagen, ist der dass der Chateauneuf-Ton bei fast alle Weinen, die ich kennengelernt habe, auch getroffen wurde, mit freilich unterschiedlichen Nuancen.

Immerhin besteht die Appellation aus vier unterschiedlichen Gemeinden (Chateauneuf, Bedarrides, Courthezon und Jonquieres) in unterschiedlichen Lagen, unterschiedlicher Höhenlage und Sonneneinstrahlung. Die letzten beim Winzer eingekauften Weine waren einige Flaschen von der Domaine Usseglio und Les Cailloux von Andre Brunel, darunter auch – leider nur wenige – „Centennaires“ die von hunderjährigen Weinstöcken stammen. Beides typische Chateauneufs. Bei Einkäufen eines Cuvet-Wein in Deutschland empfiehlt es sich, auf den Namen des Erzeugers zu achten. Die bekannte Wappenflasche ist leider kein Indiz mehr, dass es sich bei dem Rotwein-Cuvée um eine Erzeugerabfüllung handelt.

Auch die übrigen Crus von der südlichen Rhone (Gigondas, Vacqueyrat, Lirac, etc.), praktisch die ganze Palette stammt aus Verschnitten, von wenigen Ausnahmen z.B. bei einer weißen Grenache abgesehen. Eine sortenreine Syrah wird praktisch nur bei Weinen minderer Qualitätsstufen etikettiert, obwohl die Syrah als eine Verbesserungsrebe gilt. Die kleinbeerige Traube liefert sehr dunkelfarbenen und tanninreichen Wein, der sortenrein produziert allerdings nur an der nördlichen Rhone, im Hermitage, Cornas und Saint Joseph zu Spitzenergebnissen führt.

Spanien: Cuvée-Weine als Motto

Mit Erfolg verschneiden auch die Spanier, nicht nur in Rioja. Praktisch überall in Spanien finden sich Verschnittweine, in Navarra, dem Penedes, La Mancha oder Valdepenjas. Den Spaniern steht der Sinn nach Sortentreue weniger, es kommt ihnen mehr darauf an, einen erfreulichen, wohlschmeckenden Wein zu erzeugen. Mit 146 Rebsorten hat man in Spanien wahrlich die freie Auswahl. Bei den Weißweinen sind es Verdejo und Viura, die gerne gemeinsam genutzt werden, natürlich auch die weiße Hauptrebsorte Airen. Die bekannte rote Qualitätssorte Tempranillo wird mit vielen anderen roten Sorten verschnitten, in der Rioja tauchen aber besonders häufig französische Sorten wie Cabernet Sauvignon und Cabernet franc auf.


Bildnachweis: © unsplash.com – Todd Quackenbush

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