Wein trinke ich am liebsten mit meiner Frau. Sie kennt meine Vorlieben beim Wein und ist auch für bisher unbekannte Weine aufgeschlossen. Besonders wichtig ist mir, dass sie abgewogen Weine beurteilen kann, und in aller Regel findet sie Aromen oder Geschmacksnuancen, die mir unerschlossen blieben. Und erst wenn sie ein besonderes oder neues Gericht serviert, und dabei auf die passende Auswahl von Wein und Speisen (les mets et les vins) achtet, dann ist zweifellos bei ihr der schönste Ort zum Weintrinken.
In zweiter Reihe folgen dann Hotels in einer schönen Landschaft mit einem besonderen Ambiente, sei es mit einer architektonischen Besonderheit, mittelalterlicher Ausstattung, hübschen Bewuchs, frischer Modernität. Da fallen mir spontan besonders Schloß Johannisberg im Rheingau oder das Hotel Krone in Assmannshausen ein. Aber auch eine Reihe von Chateaus müssen erwähnt werden, etwa das Hotel Montmirail in Vacqueyras, mit traumhaftem Garten und Säulengang, Les Florets in Gigondas, La Beaugraviere in Mondragon, La Mere Germaine in Chateauneuf-du-Pape, usw. Hier sind die Crus der Cotes du Rhone aber auch Rhone generique zu Hause. Dem Weinliebhaber sind doch die schönsten Orte allesamt Orte in Weinbaugebieten.
Lausanne, Evian und der Genfer See: von Rebstöcken und Seeufern
Weiter sind zu nennen das Hotel d’Ouchy in Lausanne, das Hotel du Lac am in Vevey Genfer See und das Franco-Suisse in Evian, ebenfalls landschaftliche Kleinodien, in denen man ausgezeichnete Weißweine, etwa den frischen Fendant, zu servieren versteht, aber auch schöne Savoyer Weine, deren Rebstöcke an den Seeufern aufblitzen. Dass man auch in einem “Eiskeller“ schön wohnen und sehen kann, und aus einer erlesenen Karte auswählen, erwies die Pension Alpenrösli am Grimsel-Pass in Gletschernähe. Schließlich dürfen Spanien und Italien nicht vergessen werden, Länder mit traumhaft schönen, besonders Küstenorten.
Von Baronen und Freiherren
Schön sind fast alle Weinorte, auch im klimatisch weniger begünstigten Deutschland. Viele Winzer haben es sich angelegen sein lassen, Räume besonders aufzuhübschen, zumal wo die baulichen Voraussetzungen dies zuließen. So ist der Ort vielleicht nicht so schön, aber die Örtlichkeit. Da wäre Baron von Knyphausen in Eltville-Erbach zu nennen, der einen formidablen Hof eingerichtet hat. Seine edelsüßen Weine und trockenen Auslesen sind ausgezeichnet. Das gleiche gilt für das eher triste Eltville, in dem aber Freiherr Langwerth von Simmern einen respektablen historischen Hof mit vorzüglichen Weinen pflegt. Wunderbare Plätze finden sich – man wird notgedrungen ungerecht, weil man nicht alle nennen kann – etwa an der Mosel mit den schönen Weinstädtchen Cochem und Traben-Trarbach. Auch in zu Füßen des Bremmer Calmonts war gut Wein trinken. Und wer hätte gedacht, dass die Saar-Gemeinde Wiltingen so gefällt.
Dernau und Mayschoß
So mancher Ausflug galt auch der Ahr, nicht ohne Grund. So zogen die romantischen Felsenterrassen bei Dernau und die Steillagen von Mayschoß, immer wieder an und ein Erstaunen blieb, wie die Winzer es dort schafften, solcherart tieffarbene Weine zu erzeugen. Während der Lesezeit dort, während der auch reichlich Proben genossen wurden, war mir ein reiner Süßmost ein Genuss, da auf die polizeiliche Promillegrenze zu achten war.
Mainz, Nierstein und Trier
Rheinhessen steuerte ich vor rund 20 Jahren allein aus dem Grund an, einige spezielle gebietstypische Weine zu erwerben, die ich für eine große Weinprobe im Ausland benötigte, in der es um deutsche Weinkultur gehen sollte. Touristische Glanzlichter konnte ich in den kleinen Weindörfchen nicht erkennen, wiewohl sie alle den typischen Weindorf-Charme aufwiesen. Da waren Mainz und Trier eher Schwergewichte, in denen es aber auf die Universität und Porta Nigra und Karl-Marx-Haus angekommen war. Entschädigung boten die vorzüglichen Weine aus dem Weingut Heyl von Herrnsheim aus Nierstein, das mir – je länger an ich die Reise denke – immer hübscher vorkommt.
Diedesfeld, Maikammer und Hambach
Auch die zweite Reise damals war dieser besonderen Weinprobe gewidmet und führte mich in die Pfalz. Durch unseren Nationaldichter hatte ich schon von Kallstatt gehört, da waren auch andere malerische Orte, Sankt Martin, Diedesfeld, Maikammer und Hambach nicht mehr fern und angenehm. Nach dem Haardt-Weinbau war es allerdings Deidesheim, das mich besonders für sich einnahm. Zunächst gefiel mir das Ensemble von Rathaus und Stadtkirche besonders in Auge, aber vermutlich war ich heftig von dem Weingut von Friedrich von Bassermann-Jordan eingenommen. Seine Dissertation von 1923 ist noch immer das grundlegende Werk zur deutschen Weingeschichte und sein Weingut steht noch immer in Blüte.
Von Juliusspital und Bürgerspital
Auch aus Franken gingen mit damals – nach Literaturrecherchen – Weinproben zu. Von den Rieslingen des Juliusspitals war ich völlig eingenommen und bestellte auch hin und wieder – auch für gute Freunde. Der Zufall kam mir zu Hilfe, als ich aus beruflichen Gründen Würzburg besuchte, und eine wunderbare, interessante Stadt kennenlernte. Natürlich führte mein erster privater Weg in Juliusspital, was mit seinem historischen Interieur eine wirkliche Sehenswürdigkeit darstellte, nicht weniger als das Bürgerspital. In beiden Häusern zudem wurde eine vorzügliche Küche gepflegt.
Mittelrhein, Kaiserstuhl und Elsass
Berufliche Gründe führten auch an den Mittelrhein, und seine frischen Rieslinge machten Lust, auch die Landschaft kennen zu lernen. Zu einem verlängerten Wochenendelernte ich u. a. die Strecke von Königswinter, Linz, Braubach, Lahnstein, Boppard, die Schönburg bei Oberwesel und Lorchhausen und Bacharach (bekannt aus Heinrich Heines Romanfragment), eine bezaubernde Landschaft mit eigenem, besonderen Reiz. In solcher Umgebung passt als Erfrischungsgetränk oder Essensbegleiter nur Wein – der Region.
Bezaubernde Weinregionen befinden sich auch im Kaiserstuhl und im Elsass, Gebiete von denen man den Eindruck hat, als sei hier immer Sommer und Sonntag. Schon wenn man bei Goldscheuer auf die französische Grenze zusteuert, hat man bereits glänzende Erwartungen. In Colmar warten interessante gastronomische Überraschungen, traditionelle wie moderne Gasthäuser, und eine reiche Weinauswahl. Ist hier nicht alles für das Wohlbefinden des Weintouristen zugerichtet? Und die vielen kleinen Dörfchen, alle mit ihrer typischen elsässischen Architektur und einem gepflegten Äußeren, und den typischen Elsässer Speisen. Diese Sauerkraut- und Flammkuchen-Küche trägt allerdings schon nach wenigen Tagen das Bedürfnis nach Abwechslung in sich.
Dresden und Sylt
Eine weitere Kategorie würden schöne Orte bilden, die keine besondere Affinität zum Weingenuss aufweisen. Spontan fallen mir dazu das Barock-Kleinod Dresden und die schöne Insel Sylt mit ihren Perlen Westerland und Keitum ein. Da gibt es durchaus unterschiedliche Erfahrungen. Kein Zweifel herrscht darüber, dass die Insel Sylt eine wunderbar herbe Schönheit darstellt, mit dem einzigen Blumenschmuck der bescheidenen Kamtschatka-Rose im Kontrast zur Dünen- und Mooslandschaft und zum Meer. Kein Zweifel auch darüber, dass Sylt über eine außerordentliche Dichte an hervorragenden gastronomischen Betrieben verfügt. Dennoch, auch edelste Weine, im Hotel Stadt Hamburg, Miramar oder auf der einzigartigen Seeterasse des Cafe Seeblick, mundeten nicht in der bekannten Weise. Lag es an der salzigen Jodluft oder an geölten Dielen? Oder war die innere Programmierung schuld, die eine Vorentscheidung für Tee treffen wollte.
Ganz anders in Dresden – wo ich von der Weinlandschaft Sachsens auch nicht einen Rebstock zu Gesicht bekommen hatte. Von den herrlichen Bauwerken musste man einfach angetan sein. Besonders zur wiedererrichteten Frauenkirche waren es nur ein paar Schritte zum Coselpalais, und da wurde das Weintrinken wirklich ein Fest, natürlich mit Weinen aus der Region, sächsische Rieslinge, denen ich so viel Feuer nicht zugetraut hätte.
Natürlich ist die aktuelle Aufzählung schöner Orte völlig willkürlich, und vor allem auch grob unvollständig, weil es eine Riesenzahl schöner und wunderschöner Orte gibt, die mir aus Mangel an Gelegenheit nicht zugänglich oder bekannt geworden sind. Ein Dürstender wird immer nach einem Schuck Wasser verlangen, wie hübsch oder hässlich der Ort auch sein mag, an dem er seinen Durst stillen möchte. Anders beim Wein, der geradezu nach einem angenehmen Ort verlangt – um es mit Goethes Schenkenbuch zu sagen: „Jedes Wort ist ein Versprechen, jeder Blick ist ein Genuss„.
Gastgeber der diesmaligen Weinrallye #79 / 2014 ist der „Winzerblog“. Die Weinrallye hat auf edelste-weine.de schon eine wenn auch kurze so doch vorhandene Tradition. Hier geht es zum letzten Beitrag von uns zur Weinrallye. Beim Schreiben dieser Zeilen bekam ich spontan Lust, einige der genannten Orte aufzusuchen und bereits Erlebtes nochmals geschehen zu lassen. Die Vernunft hielt mich jedoch in der Agentur zurück. Dennoch oder gerade deswegen: Zum Wohl, ihr Lieben!
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